Glasmalerei-Nachbildungen im Kloster Rathausen


Die Ausgangslage
Der private Kulturclub Luzern lässt im Zusammenhang mit der Renovation der ehemaligen Klosteranlage Rathausen drei Glasmalerei-Nachbildungen, welche sich im Kreuzgang des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters befanden, herstellen.

Die Anfänge des Zisterzienserinnen-Klosters Rathausen gehen ins 13. Jahrhundert zurück. 1588 bis 1592 erfolgte ein grösserer Umbau der Klosteranlage. Die Glasmalerei, die sich heute im Landesmuseum Zürich befinden, gelangten kurz danach in den Kreuzgang. Nach der Aufhebung des Klosters im Jahr 1848 diente die Anlage unter anderem als Lehrerseminar und als Quartier für die Bourbaki-Soldaten, als Pockenspital und zwischen 1882 und 1989 als Erziehungsanstalt und Kinderheim.

1903 zerstörte ein Feuer grosseTeile der ehemaligen Klosteranlage. Erhalten blieben ein Teil der Mauern und der Kreuzgang von 1592. Nach dem Brandereignis wurde das Kinderheim unter Weiterverwendung der massiven Bausubstanz des einstigen Konvents wieder aufgebaut. Beim aktuellen Umbau geht das Restaurierungskonzept grundsätzlich vom baulichen Zustand ab dem Wiederaufbau aus.

Projektidee
Vor diesem Hintergrund wurden drei Nachbildungen in Auftrag gegeben. Die Glasmalereien sind im Kreuzgang vis-à-vis beim Eingang der Kirche angebracht. Mit der Realisierung wurde das Luzerner Glasmalerei-Atelier Christoph Stooss beauftragt. Der Private Kulturclub Luzern hat mit dem Atelier Stooss einen Werkvertrag abgeschlossen.

Skizze und Anmerkung von Christoph Stooss
«Die Ausführung dieser Arbeit verlangt verschiedene Kompetenzen. Schlussendlich wird es ein Gemeinschaftswerk meines Ateliers.
Sicher liegt ein grosser Teil bei mir selber. Das wird besonders für die erste Glasmalerei gelten. Malschichten-Aufbau untersuchen, Kontur- und Halbtonmalerei festlegen, Herausarbeiten der Lichter, Silbergelb- und Email-Auftrag, Brennvorgänge perfektionieren.

Zunehmend werden dann meine Mitarbeiter, die Glasmalerin Sandra Wanner und der Glasmaler Tobias Sziraki selbständig daran arbeiten.»

Apothekerschrank in der Glasmalerei: Über 100jährige Farbpulver stehen neben jüngeren Glasmalfarben. Früher gehörte als Flussmittel auch Arsen dazu. Mit den Grisaille-Farben werden die feinen Zeichnungen übertragen: Gesichter, Kleidung, Architektur, Landschaften. Rückseitig wird silbergelb und Email hinterlegt. Die Farben sind nach dem Brennen bei 580 ° fest mit dem Trägerglas verschmolzen.

Die einzelnen Gläser fasst man nach dem Brand mit Blei zusammen. Aus diesem Grunde werden ganz genaue Papierschablonen geschnitten, um den Bleiprofilen Raum zu schaffen.

Nach diesen Schablonen, pro Glasmalerei sind das 90 bis 100 Einzelteile, schneidet Tobias Sziraki die Gläser mit dem Stahlrad oder Diamanten zu. Den letzten «Schliff» erhalten die Einzelteile an der Kröselmaschine.

Sandra Wanner hat eine Palette mit Grisaille-Farben vorbereitet. Im nächsten Arbeitsschritt überträgt sie die feinen Konturzeichnungen auf das Glas, genau so wie es schon in der Übersetzung von Glasmalers Peter le Vieil 1780 über die Malschichten des 15 JH. Steht: «Erste Manier, die Glasmalerei zu traktieren.»
2 bis 3 Tage muss die Kontur komplett durchtrocknen damit sie, ohne sich aufzulösen, mit der wässrigen Halbtonbemalung überzogen werden kann. Mit dem Schweinsborstenpinsel, Gänsekiel oder Stahlnadel werden nun Lichter aus dem Halbton herausgearbeitet.

Sandra Wanner bereinigt mit der Gänsefeder die Konturbemalung. Viele Details müssen besprochen werden: Wie sind die Farben der Fotos im Vergleich zu den originalen Glasmalereien im Landesmuseum?, welche Sprünge im Original müssen auch in der Nachbildung sein?, wie sind die Brandmuster zu beurteilen?

Links: Christoph Stooss diskutiert mit den beiden Glasmalern das weitere Vorgehen. Rechts: Das Glasbild «Baum der Erkenntnis» in den verschiedenen Bearbeitungsstufen.

Um innerhalb eines Glasstückes verschiedene Farben zu erhalten, gibt es verschiedene Techniken. Eine davon ist die Verwendung von «Überfangglas»: Ein weisses Glas ist mit einer dünnen Farbschicht aus Glas überfangen. Je nach Bedarf wurden früher diese dünnen Farbschichten mühsam mechanisch weggeschliffen. Heute werden die Partien, die die Farbe behalten sollen, mit einer Folie geschützt. Im Säurebad werden die übrigen Flächen vom Überfang freigelegt.

Flusssäure ist die zweitstärkste Säure überhaupt und vermag sogar Glas aufzulösen. Schutzmassnahmen und Vorsicht sind höchstes Gebot! Die Glasmalerin überwacht den Arbeitsfortschritt ohne Unterbruch.

Eine weitere wichtige Möglichkeit, innerhalb eines Glasstückes mehrere Farben zu erhalten, ist der Auftrag von Emaillen. Diese tiefschmelzenden Farben werden rückseitig hinterlegt. Sie verstärken den malerischen Schmelz der Renaissance-Glasmalerei.

Die Schrift wird vorgeschrieben oder nach einer Vorlage auf das Glas übertragen. Das Silbergelb ist aus der «Schweizer Glasmalerei» nicht wegzudenken. Das Silbergelb ist die einzige Farbe die in das Trägerglas eindringt (Diffusionsfarbe) und, nach dem Brand, hochtransparent ist.

Auf die Brennofenplatte wird ein totgebranntes Keramikfaserpapier gelegt. Darüber abgezogen, um möglichst Druckstellen beim Brand vorzubeugen, eine feine Schicht Gips.

In einem früheren Arbeitsgang wurden Reinblei und Reinzinn geschmolzen und im richtigen Verhältnis legiert und anschliessend Bleirohlinge gegossen.
Marlies Stoss zieht mit dem Bleizug das Fertigblei, ein H-Profil, das mit seinen Flanschen die einzelnen Gläser fasst.

Tobias Sziraki verbindet die einzelnen Gläser mit Bleiprofilen zu einem ganzen Glasbild, dabei können knifflige Situationen entstehen.

Stück für Stück werden die Einzelteile zusammengefügt. Die lose zusammengesteckten Gläser und Bleiprofile werden mit Zinn zusammengelötet.

Nach der sorgfältigen Reinigung ist die Glasmalerei einsatzbereit.

Die Metallrahmen sind vom Schlosser Beat Lussi präzise auf die einzelnen Steingewölbe angepasst worden. Jetzt kann die Beleuchtung von Christian Deuber fertig montiert werden.

Zum Abschluss wird die Kittfuge zum Metallrahmen nochmals kontrolliert, die Beleuchtung eingeschaltet, um den Bereich der massiven äusseren Kämpfer der Holzfenster aufzuhellen.

Am 12. November 2016 sind die Glasmalerei-Nachbildungen vom Privaten Kulturclub Luzern der Stiftung SSBL offiziell übergeben worden.

Auch die Glasmaler sind mit den erschaffenen Nachbildungen und der Wirkung vor Ort zufrieden. Von links nach rechts: Sandra Wanner, Christoph Stooss, Marlies Stooss, Tobias Sziraki.