Der Posaunenengel
Der goldene Engel steht seit dem 24. September 1695 ununterbrochen als Krönung auf dem Oktogon der Klosterkirche Muri. Er ist ein Werk des Bremgarter Kupferschmids Franz Moser und des Vergolders Leonzi Dentzel, der dafür «14 Buoch Gold» verwendete. Die Engelsfigur ist 2,5 Meter hoch, die Kugel hat zusätzlich einen Durchmesser von einem Meter. Die Flügel, das Gesicht und der Oberkörper sind auf den Nordturm ausgerichtet. Die geöffneten Arme weisen auf den Kirchenvorplatz, als wollte er die Menschen, die die Klosterkirche betreten, begrüssen.
Welches Instrument bläst der Engel?
Ist es eine Posaune, eine Tuba oder eine Trompete? Oder entspricht das Instrument dem römischen Signalhorn, der «bucina»? Das deutsche Wort «Busine» bezeichnete im Mittelalter ein Blasinstrument mit geradem, konischem Rohr. Die Franzosen verstehen unter «Bussin» den Zink, aus welchem Instrumente gefertigt wurden. Jede der genannten Bezeichnungen ist richtig und gleichzeitig falsch. Wie dem auch sei: die Murianer nennen ihn «den Posaunenengel».
Die Engelarchitekten
Die Neuvergoldung 1995 war ein Geschenk des «Privaten Kulturclubs Luzern», einer Vereinigung von Architekten und Privatpersonen, die 1996 gegründet wurde. Für das Gründungsmitglied Guido Oberholzer suchte der Club ein geeignetes Geschenk. Der ehemalige Luzerner Denkmalpfleger, Dr. André Meyer, empfahl dem Club, die Restauration und Neuvergoldung des Posaunenengels von Muri zu finanzieren. Spontan wurde dieses Geschenk realisiert. Im Kreis der Freunde der Klosterkirche werden die grosszügigen Spender aus Luzern deshalb «die Engelarchitekten» genannt.
Zeuge der Geschichte
Seit über 320 Jahren steht der Engel auf dem Dach des grössten Oktogons der Schweiz. Er hat den Höhepunkt der barocken Abtei, den Neubau des Ostflügels, das Exil des Fürstabtes während der Helvetik, die Gründung des Kantons Aargau (1803) und die Klosteraufhebung vor 175 Jahren miterlebt. Aber auch den Klosterbrand von 1889 und die Übergabe der Klosterkirche an die Kirchgemeinde.
Restaurationen
1740 erhielt der Engel einen neuen Hals aus Kupfer. Nächste Reparaturen sind erst wieder 1921 aktenkundig: damals stürzte er vom Dach. Der Kanton, damals Eigentümer der Klosterkirche, wollte ihn nach der Reparatur nicht mehr am ursprünglichen Standort aufstellen, da die Kirche ohne den Engel harmonischer wirke. Doch die Murianer setzten sich durch und der Engel wurde wieder an seinen ursprünglichen Platz gesetzt. Die nächste Reparatur erfuhr das Wahrzeichen Muris 1954, bei der grossen Aussenrenovation. Er wurde in der Werkstatt von Josef Raeber durch Umberto Zaccheo repariert. 1984 brach ein heftiger Sturm das Instrument zwischen Hand und Mund entzwei. Mit Hilfe einer Feuerwehrleiter konnte die Reparatur an Ort und Stelle erfolgen. Seit dem 24. September 1995 steht der Engel nach einer vollständigen Revision und Vergoldung wieder auf dem Oktogondach. Restaurator Josef Brühlmann verwendete für das Vergolden nur 64 Gramm Blattgold.